Aus dem Tagebuch von Frau M. Johanna Loës, 

Kloster St. Ursula, 1938-1945 

2. 12. 1938

Seit der Einführung des Lehrplans der Mädchenrealschule, hernach Oberschule, besucht eine immer größere Anzahl von Externen unsere höhere Schule (120 - 130 Schülerinnen). Als Resultat der Besichtigung durch Herrn Regierungsrat Klepper wird uns mitgeteilt, dass der Pensionatskurs mit Handelsabteilung auf Ostern 1939 aufgehoben sei. Auch die Handelsschulen der Klöster Baden-Baden und Offenburg sind auf Ostern 1939 aufgehoben.

17. 4. 1939

Heute beginnt bei uns ein zweimonatlicher Kurs zur Ausbildung von Organistinnen. 

12 Teilnehmerinnen besuchen ihn.

1.7. 1939

Die Schülerzahl hat in allen Klassen stark abgenommen. Es ist dies die Folge des Verbots für staatliche und städtische Beamten und Angestellte, ihre Kinder an Privat-

schulen zu senden. Auf 1. Juli tritt die Zurruhesetzung von Frau Stanisla in Kraft, und es wird keine unserer Anwärterinnen nachrücken dürfen. 

16. 8. 1939

Verschiedene kath. Jugendvereinigungen mit allen Neben- und Untergliederungen werden mit sofortiger Wirkung aufgelöst. 

13.2.1940

Heute fängt nach drei Wochen Kohlenferien die Schule wieder an. Das Knabenschulhaus ist von Militär belegt; so haben in der Mädchenschule morgens die Knaben, mittags die Mädchen Unterricht, und nächste Woche umgekehrt.

9.3. 1940

Das Mädchenschulhaus mit Ausnahme des alten Gebäudes ist diese Woche mit Soldaten belegt. Mit Ausnahme der 8. Schuljahre hat deshalb die gesamte Schuljugend nur zwei Stunden täglich Unterricht.

Von den Lehrerinnen an der Städtischen Mädchenschule werden zufolge des Ministerial-

erlasses vom 18. 5. 1938 für dieses Jahr zwei abgebaut: Frau Franziska und Frau Magdalena. Die beiden Lehrfrauen unterschrieben ein „Gesuch um Zurruhesetzung wegen leidender Gesundheit".

26. 5. 1940

Auf staatliche Anordnung muss dieses Jahr das Fronleichnamsfest auf den Sonntag verlegt werden.

22. 7. 1940

Auf dem Gutshof herrscht große Not an Arbeitskräften. Ein paarmal bekamen wir Polen zur Aushilfe und jetzt 10 Franzosen, die in der Knechtsstube des Klosters untergebracht sind. 

30. 7. 1940

Vor acht Tagen trafen 35 Ferienkinder von Freiburg im Alter von 3 bis 14 Jahren bei uns ein. Sie werden betreut von einer Liobaschwester und einer Jugendleiterin.

1. 9. 1939

Die abwesenden Frauen kamen früher aus den Ferien zurück und hatten teilweise lange Fahrten hinter sich, da durch den Truppentransport der sonstige Personenverkehr sehr verzögert wurde. Aus der Gefahrenzone brachten manche ihre Angehörigen als Rückwanderer mit sich, die bei uns Wohnung und Verpflegung finden. Einquartierung kam, und die Soldaten sind froh und dankbar, warme Anteilnahme und Fürsorge zu finden. (In den beiden Sälen gegenüber der Pforte ist der „Verstärkte Polizeischutz" untergebracht.) Unsere größte Anteilnahme gebührt den Bewohnern der schlimmsten Gefahrenzonen an der Grenze. Sie mussten Haus und Hof verlassen und mit wenig Habseligkeiten ins Innere des Landes wandern. Auch unsere lieben Mitschwestern von Breisach mussten ihr Heim verlassen. Drei Schwestern von Breisach, zwei von Freiburg und eine von Offenburg sind seit Kriegsbeginn unsere Gäste.

Nach dreiwöchentlicher Ferienverlängerung wird der Schulunterricht wieder aufgenommen.

Lebensmittelkarten werden sofort eingeführt. Zur Herstellung der erforderlichen Kartei werden Lehrer und Lehrerinnen der Städtischen Schulen in die Büros berufen. Unsere Frauen gehen täglich aufs Verkehrsamt und bringen noch Arbeit mit nach Hause. Die Zahl der Klassenstunden in der Städtischen Volksschule wird vermindert. Zeichnen und Turnen fallen aus, in den Oberklassen auch eine Stunde Religion und Handarbeiten.

Für die Landwirtschaft ist das schlimmste die Leutenot. Arbeitsdienst, Militärdienst und zuletzt der Krieg nehmen die Arbeitskräfte in Anspruch. Unsere jüngeren Frauen gehen in jeder freien Stunde mit aufs Feld.

Die Schließung unsererOberschule ist auf Ostern 1940 befohlen. Die Haushaltungsschule ist mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Unter dem Titel „Privates Töchterheim" ist es weiterhin erlaubt, schulentlassene Mädchen zur Ausbildung in der Hauswirtschaft aufzunehmen.

26. 1. 1940

Die große Kälte ist für die Teilnehmerinnen des 2. Orgelkurses, der anfangs Januar begann, sehr hinderlich. Es sind 21 an der Zahl, darunter 2 Freiburger und 2 Erlenbader Schwestern. Sie müssen in den z. Z. wenig geheizten oder ganz ungeheizten Kirchen üben.

24. 8. 1940

Im hinteren Hof haben wir Einquartierung von 25 Pferden, Feldküche, 2 Köchen, Proviantwagen und der ganzen in unser Stadtviertel einzuquartierende Mannschaft. Alltäglich nehmen die Soldaten der Umgebung ihre Mahlzeiten im Hofe ein.

Seit anfangs Juli stehen die sechs hübschen neuen Zimmerchen im 3. Stock zur Aufnahme bereit, und die kleine Fremdenpension kann den Betrieb eröffnen. Pensionspreis einschließlich Licht und Heizung beträgt 4,50 M.

10. 9. 1940

Der Schulbeginn nach den Ferien (2. 9.) hat verschiedene Umstellungen gebracht. 7 Lehrer von hier wurden ins Elsaß berufen. Unsere Lehrerinnen (vom Pensionat) und hier ansässige verheiratete Lehrerinnen springen in die Bresche. 

15. 10. 1940

Heute ist Eintritt ins „Töchterheim":19 Interne und 5 Externe. Auch ein weiterer Orgelkurs beginnt.

Der Kreisleiter teilt mit: Der ganze vordere Flügel (Bickenstraße) muss sofort geräumt werden (der Korridor bei der Pforte ausgenommen). 300 Auslandsdeutsche sollten bei uns untergebracht werden. Einige bauliche Veränderungen werden notwendig. Eine provisorische Küche soll im Innenhof erbaut, ein Kreuzstock im unteren Stock gegenüber der Pforte ausgebrochen und dadurch eine Verbindung mit dieser Küche hergestellt werden. Die kleine Fremdenpension muss sofort aufhören. Die Mädchen des Töchterheims erhalten als Schlafraum den Saal mit der Theaterbühne. Die beiden Nähstuben bringen wir im Konventsaal unter.

20. 1. 1941

Am Nachmittag des Dreikönigsfestes reisten die drei Frauen Rita, Theodora und Maria-Anna nach Freiburg, um an dem 14tägigen Kursus für freie Kinder- und Jugendseelsorge im Werthmannhaus teilzunehmen.

Heute, 20.1., beginnt nach den Weihnachtsferien der Unterricht wieder. Am Tage nach Dreikönig sind die jungen Mädchen des Töchterheims zu ihrer Arbeit zurückgekehrt.

Besonders zahlreichen Besuches erfreuen sich die Nähkurse in diesem Winter. Oft sammeln sich bis zu 70 und mehr Frauen und Mädchen um die Tische und Näh-

maschinen im Konventsaal; das allerletzte Plätzchen ist besetzt. Zahlreiche Anfragen für Schülerinnenheim und Fremdenpension laufen bei uns ein; wir müssen sie alle absagen. Wohl sind die erwarteten Volksdeutschen noch nicht eingetroffen, aber wir haben kein Verfügungsrecht über die leerstehenden Räume.

27. 5. 1941

Heute wurde das Lager unserer französischen Kriegsgefangenen vom Kloster weg an ihre Hauptarbeitsstätte auf den Gutshof verlegt.

21. 6. 1941

Ein neuer Schlag trifft unsere Tätigkeit und besonders die der früheren Pensionats-

lehrerinnen. Den Schülern und Schülerinnen der hiesigen Oberschule ist es verboten, bei den Klosterfrauen Privatstunden zu nehmen. Laut Gesetz dürfen Geistliche sowie Ordensschwestern keinen Privatunterricht erteilen.

26. 7. 1941

Am Samstag marschierten die Volksdeutschen ein, ernst und gedrückt, von wochen-

langer Reise erschöpft, Männer, Frauen und Kinder, 153 an der Zahl. Diese Leute deutscher Abstammung wohnten zerstreut unter Rumänen, in der Bukowina, der Moldau und Dobrutscha.

27. 8. 1941

Weil der Lagerführer keine Wäscheanstalt gewinnen kann, benützen die volksdeutschen Frauen allwöchentlich drei Tage unter Schwester Monikas Aufsicht und Mitarbeit unsere Waschküche. Seit 9. 9. ersetzt Schwester Armella den Küchenchef im Lager. 

7. 10. 1941

Eröffnung des Pfarrgottesdienstes in der Benediktinerkirche für die neugegründete Kuratie St. Georg. Chorleitung und Orgelspiel übernehmen unsere Frauen Bonifatia und Konrada. Frau Bonifatia versucht, einen Chor von etwa 50 Mädchen zu gewinnen und will sie zweimal wöchentlich im Kloster unterrichten. Frau Canisia übernimmt anstelle von Frau Konrada den Organistendienst in St. Fidelis.

1. 12. 1941

Seit 19. 11. leisten wir Näharbeit für den Heeresbedarf (Lazarettjacken), Frau Raphael leitet die Arbeiten des Nähbetriebs. Die Arbeit geschieht von den Frauen, die keinen oder nur mehr wenig Unterricht haben bzw. geben dürfen.

1. 1. 1942

Seit einiger Zeit ist bei uns die Kirchenglocke verstummt. Schon hat da und dort die Ablieferung der Kirchenglocken begonnen. 

9. 3. 1942

Heute morgen haben unsere lieben Münsterglocken ihr Grablied gesungen.

25. 3. 1942

Als letzte abzugebende Glocke unseres herrlichen Münstergeläutes wird heute die „Große Glocke" (105 Zentner schwer) abgenommen.

20. 9. 1942

Heute nacht wieder Fliegeralarm. Mehrere Leute aus der Nachbarschaft, Bickenstraße und Klosterring (H. Ventur Singer, H. Dr. Häßler mit Familie u. a.) kommen zu uns. Sie vertrauen auf den Schutz von Ursula Haider.

29. 10. 1942

Frau Christa kommt heute von Freiburg und Hegne zurück. Sie hatte im Lauf des Sommers 32 Schwestern aus verschiedenen Klöstern zur Meisterinnenprüfung im Paramentensticken (in den theoretischen Fächern) vorbereitet. Bericht dazu

25. 12. 1942

Am Hl. Abend traf zur großen Freude seiner Schwester, Frau Huberta, Herr Pfarrer Haug aus Dachau bei uns ein. Ein ergreifendes Wiedersehen nach monatelanger Gefangenschaft im KZ! 

6. 1. 1943

Dreikönig bringt uns ein Familienfest, auf manche Jahre hinaus das letzte seiner Art. 

Die jüngsten des Konvents feiern ewige Profess, die Frauen M. Christa, Maria-Anna, M. Angelika.

27. 5. 1943

Seit etwa einem Jahr bemüht sich Frau Theodora, die zugewanderten dienstverpflichteten Mädchen in Villingen und einigen Orten der Umgebung seelsorgerlich zu betreuen.

21. 6. 1943

Kurzer Besuch der Mutter Generaloberin von Gengenbach. Auf der Reise von Dürrheim nach Gengenbach macht sie hier Aufenthalt.

4. 7. 1943

Zu einem Erlebnis hohen künstlerischen Genusses und seelisch-geistigen Gewinns wurde uns der von Herrn Hauptlehrer Baumann gestern abend im Konventsaal veranstaltete Kammermusikabend. Der bekannte Komponist hat die Gedichte zweier Schriftstellerinnen vertont (Fr. Lina Kromer, Fr. Gertrud Laux). Die Anwesenheit der beiden Dichterinnen gab dem Konzert eine besondere Note.

27. 12. 1943

Zu Weihnachten schickte uns Herr Bürgermeister-Stellvertreter Riedel Blumen und Dankschreiben zur Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit, die unsere Frauen bei der schwierigen Kontrolle der Lebensmittelkarten im Lauf des Jahres geleistet hatten.

17. 1. 1944

Die von der Lagerverwaltung geforderten Zimmer müssen abgetreten werden (heutige Schulleitung und Kartenzimmer). Das „Kläßle" verbleibt uns.

Am Bunker im „Park" werden sogar an Sonn- und Feiertagen die Arbeiten fortgesetzt.

17. 5. 1944

Heute feiern wir das goldene Jubelfest unserer lieben Mitschwester Frau Euphemia.

30. 8. 1944

Aus der Konferenz für die an der Mädchenschule arbeitenden Lehrkräfte: 

6 Frauen finden Verwendung bei der Beaufsichtigung des Kräutersammelns und -trocknens, für Entgegennahme des Altmaterials. Andere werden der Arbeit auf dem Gutshof zugewiesen, die Handarbeitslehrerinnen der Heim(Näh-)arbeit für die Wehrmacht. 

Auf dem Lebensmittelamt zu schriftlicher Arbeit wird eine weitere Anzahl Lehrerinnen beschäftigt. Die im Dienst stehenden Lehrkräfte können bis zu 60stündiger Arbeit pro Woche verwendet werden.

22. 9. 1944

Die ersten 32 Insassen des improvisierten Altersheimes treffen heute hier ein. Es sind wirklich hilfsbedürftige Menschen, die man uns schickt. Eine Bühler Krankenschwester ist zur Pflege mitgekommen. Die Küche besorgt Frau Clementine.

9. 10. 1944

Das Mädchenschulhaus ist zum Lazarett bestimmt. Die Räumung der Schulhäuser an den Anlagen wurde befohlen und uns die Übernahme der Küche für 500 Soldaten. 

Auch die Köchinnen müssen wir stellen.

27. 11. 1944

Schwerer Bombenangriff auf Freiburg. Mehrere Flüchtlinge und Bombengeschädigte finden hier Zuflucht. Frau Müller, die 83jährige Mutter von Frau Karola und Canisia wohnt bei uns; ihre Verwandten werden auf dem Klosterhof untergebracht. Nach dem Angriff auf Karlsruhe kamen noch mehr Angehörige unserer Mitschwestern zu uns: Frau Hörner, Frau Hoch, Frau Fichthaler, Frau Lehr, Frau Köppel. Die Fliegeralarme mehren sich. In diesem Jahr insgesamt 105.

8. 4. 1945

Die Erstkommunionfeier ist auf morgens 6 Uhr anberaumt; dann erst wieder abends 

7 Uhr Gottesdienst. Den ganzen Tag Fliegeralarm.

20. 2. 1945

Bombenangriff auf die Bahnlinie. Die Bickenkapelle ist ganz zerstört; ebenso zwei Häuser in der Friedrichstraße. In allen drei Stockwerken unseres Ostflügels sind die schönen Butzenscheiben beschädigt, alle Kirchenfenster ebenso.

20. 4. 1945

Einzug der Franzosen in Villingen. Besetzung der Stadt. 

21. 4. 1945

Heute, Samstag, erscheint die weiße Fahne auf dem Münsterturm.

15. 6. 1945

Infolge der Besetzung macht sich ein starkes Bedürfnis nach fremdsprachlichem Unterricht hier geltend. Jede Klosterfrau, die zum französischen oder englischen Unterricht befähigt ist, übernimmt eine Anzahl Stunden.

27. 11. 1945

Wiedereröffnung der Oberschule und Handelsschule. Nach feierlichem Gottesdienst im Münster hielten 100 Kinder für Sexta und Quinta und 20 Handelsschülerinnen ihren Einzug in St. Ursula.

“200 Jahre Kloster St.Ursula Villingen” Festschrift, Villingen, Hrsg.: Kloster St.Ursula Villingen 1982

zurück

[Kloster St.Ursula][Geschichte][Anne de Xainctonge][Ursula Haider][Leben im Kloster][Klosterkirche][Kloster und Schule][Impressum]